Marcel Beyer
Geboren 1965 in Tailfi ngen. Studium der Germanistik, Anglistik und Literaturwissenschaften in Siegen. Er schreibt Gedichte, Romane, Essays und Libretti und lebt heute in Dresden. Friedrich-Hölderlin-Preis und Peter Huchel-Preis 2021.
Beyer verwirbelt in ausgefeilten Improvisationen das Inventar seiner Sozialisation, die Einrichtungsgegenstände, die Tier- und Fabelwesen sowie die popkulturellen Prägungen, und es entstehen ganz neue Muster und Textwelten. Der Humor, der da am Werk ist, verweist in Abgründe, die mit Plüsch ausstaffi ert und deshalb umso horrender sind. Dieser Lyriker vermengt das Schöne und das Schreckliche zu etwas ganz Neuem.
Helmut Böttiger
Von mir aus muß sich niemand mehr die Haare machen.
Von mir aus gibts jetzt jeden Tag nen Blumenstrauß.
Wie schräge Vögel sich die Stirn frisieren: Leute,
vielleicht macht ihr euch euren eignen Reim darauf
im Blatt – Blättchen sind eine völlig andre Sache.
Fortan will ich der Töne leichte Beute sein,
nur wer nen guten Ansatz hat, kann auch parlieren. Von mir aus streiche ich mit meinem Pork Pie Hat
nun jeden Tag ums Haus, durchs
Viertel und vergleiche
– moonlighting dort, sitting in
hier – die Jazzkeller
von Wuppertal bis Dortmund bis nach Wanne-Eickel.
Von mir aus schmeiße ich in Zukunft jede Nacht
zum Kehraus eine Saalrunde Ballantines. Oder
drei. Oder vier. Denn ich bin der Töne leichte
Beute, und von mir aus gibts
zum Frühstück ab heute
jeden Tag blaue Noten
auf weißem Papier.
Aus dem Manuskript
Gedichtbände von Marcel Beyer, zuletzt: Dämonenräumdienst (2020)