Ariane von Graffenried
Geboren 1978 in Bern, Studium der Theaterwissenschaft, Englischen Literatur und Medienwissenschaft. Sie schreibt Erzählungen, literarische Lieder, Lyrik, Spoken-Word-Texte, Theaterstücke und Essays. Viele ihrer Texte sind vielsprachig und auf den performativen Vortrag ausgerichtet. Grosser Literaturpreis von Stadt und Kanton Bern 2022.
Die sich auf verschiedenen Sprachebenen entzündenden Assoziationen und Kombinationen sind (…) ein überaus sinnliches, fast spracherotisches Ereignis. Das beginnt schon bei Rhythmus und Reim. Hier tanzt die Sprache nach klar vermessenen Beats.
Sabine Haupt
Typhus Mary
Erste, in den Vereinigten Staaten identifizierte,
nicht erkrankte Trägerin von Typhus
Und ein Schiff kam mit Migranten,
Mary war jung und ohne einen Cent,
trug on deck ein dreckiges Hemd
und einen heavy Irish Akzent.
Hinter ihr ein ocean, darin Leichen,
und vor ihr die rattenreichen
Schluchten der neuen Welt.
Mary wird in die city geschwemmt.
Mist and mud and Menschenmassen,
Fäulnis keimt in Manhattans Gassen.
The nouveau riche still have bad manners,
but servants und sauberes Wasser.
Zeitungsjungen brüllen sich hungry
die Lungen wund: «Epidemics don’t stop!»
Alle kamen einmal an, und everyone
has to work his way up to the top.
Parvenüs pranzen, Bazillen tanzen
in den avenues. New York is shaken
by fever. Mary bleibt gesund.
Immer ist wer schuld.
Man konnte es
in der Zeitung lesen,
the chili pickers
could be the reason,
die Kohlfresser
sind es gewesen.
Auszug aus dem Gedicht „Typhus Mary“ in „50 Hertz“.
Buchveröffentlichungen von Ariane von Graffenried, zuletzt:
Babylon Park (2017)