Mila Haugová

Die Lyrikerin und Übersetzerin wurde 1942 in Budapest geboren und ist in der Slowakei aufgewachsen. Dort studierte sie Landwirtschaft und war von 1986 bis 1996 Redakteurin der Literatur­zeitschrift Romboid. In ihren anspielungsreichen Gedichten verwebt sie Themen wie Natur, Erotik, Erinnerung und Verlust.
Heute lebt sie als freie Schriftstellerin in Bratislava und Levice. Ihre Gedichtbände wurden in zahlreiche Sprachen übertragen. Vilenica-Literaturpreis 2020.

Im Kartografieren von geheimnisvollen Gärten und Wüsten lotet sie die prinzipiellsten und intimsten Fragen unserer Existenz aus.

Jaroslav Šrank


j

1

radix: ein traum von form in vollendeter

verschmelzung: jedes wort hat seinen tempel

und die frage ist eine kleine erhaltene apsis

im romanischen stil: was soll ich dir bringen?

dich sagst du und ich stelle mir vor ich blicke zum fenster

der kleinen kirche in Drážovce: aufzeichnung eines frühen

traums erhellt vom bernsteinlicht der haltestelle zwei aus

selbigem traum aus zufall am selben ort:

zartes fell: blut: dunkelheit

2

archiv: ein brief der durchs labyrinth irrt

jedes wort wirft einen anderen schatten: sie

zu enträtseln ermüdet (privates Delphi)

ein roter wind kommt auf: liest aus

dir mir uns: haben wir die richtigen

opfergaben dabei versöhnt uns das mit allem

weltlich(t)en? durchscheinende vokale halb-

durchlässige membranen konsonanten

ich sage a: das b soll sich zeigen

(auch das letzte zet ist nicht mehr so weit)

im frostigen raum des körpers (gedichts)

Übersetzung aus dem Slowakischen: Anja Utler

aus: Mila Haugová, Zwischen zwei Leeren. Edition Korrespondenzen 2020.

Buchveröffentlichungen von Mila Haugová, zuletzt:
Zwischen zwei Leeren (2020)